Queere Vielfalt im Alter in Mannheim

Jeder fünfte Mensch in Mannheim ist mindestens 65 Jahre alt, sechs Prozent aller Mannheimer*innen sind 80 Jahre oder älter. Im Jahr 2022 leben in Mannheim fast 90 gleichgeschlechtliche Ehepaare, bei denen mindestens einer Person im Alter von 65 Jahren oder älter ist. Nicht alle dieser Menschen bezeichnen sich selbst als lesbisch oder schwul. Manche meiden diese Begriffe aufgrund von Ausgrenzungserfahrungen. Für andere passen die Begriffe nicht, weil sie bisexuell, trans oder intergeschlechtlich sind. Im Folgen sprechen wir daher zusammenfassend von queeren Menschen.

Die Biografien von älteren queeren Menschen sind nicht selten von Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen geprägt. Sind sie im Alter auf institutionelle Hilfe angewiesen, befürchten sie oft Ausgrenzung. Zudem berichten queere Menschen von einem hohen Unbehagen gegenüber regulären Angeboten der Pflege und Betreuung aufgrund des großen Unwissens zu queeren Lebenswelten unter Fachkräften.

2021 hat der Runde Tisch sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Mannheim beschlossen, sich als Jahresthema mit den Fragen der queeren Vielfalt im Alter auseinanderzusetzen. Es wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt hat. Die Veranstaltungen sind festgehalten in der Dokumentation „Queere Vielfalt im Alter“. Als Einstieg in das Thema dient das zusammengetragene Hintergrundwissen zur Situation älterer Menschen in Mannheim und zu den besonderen Bedürfnissen queerer Menschen im Alter. Es folgen Beschreibungen und Berichte der Veranstaltungsreihe von Oktober bis März 2022. Geprägt wurde die Reihe durch drei zentrale Themen: Aktives Erinnern, Erweiterung des Wissens sowie Erfahrungen und Engagement der Community. Die Dokumentation macht darüber hinaus wichtige Informationen und Anlaufstellen sichtbar. Sie wurde dem Gemeinderat am 26. Juli 2022 vorgelegt und ist abzurufen unter www.mannheim.de/lsbti/runder-tisch.

In einem Beteiligungs-Workshop und einer öffentlichen Diskussion wurden die Anliegen von Fachkräften und der Community zusammengetragen und als handlungsleitende Ziele für die Zukunft formuliert. Die aus den gemeinsam erarbeiteten Visionen abgeleiteten Zielsätze sind:

  • Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Alter ist in Mannheim für queere Menschen gestärkt. Dies kann durch einen Besuchsdienst, vgl. Erfahrungen des Berliner Besuchsdienstes „Zeit für Dich“, erfolgen. Hier gilt, dass für aktives Ehrenamt hauptamtliche Unterstützung für einen angemessenen Rahmen notwendig ist.
  • Für die Wahlfreiheit queerer Menschen wird der Zugang zur zielgruppenspezifischen Pflege gestärkt durch die Information über zertifizierte Pflegeangebote. Weitere Pflegedienste sollen in den nächsten Jahren beim Erwerb von entsprechenden Zertifizierungen unterstützt werden, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.
  • Die Förderrichtlinien für gemeinschaftliches Wohnen und Wohnen im Alter werden auf Heteronormativität hin geprüft und so überarbeitet, dass Wahlfamilien und Freund*innenkreise ebenfalls Projekte umsetzen können.
  • In fünf Jahren gibt es ein innovatives und zielgruppengerechtes Angebot für queere alte Menschen in Verbindung mit dem Queeren Zentrum Mannheim unter Einbindung der queeren Community.
  • Im Jahr 2025 gibt es in Mannheim mindestens drei stationäre Pflegeeinrichtungen, die Best-Practice-Modelle sind als „Offene Orte des Lebens für Alle“, die sich auszeichnen unter anderem durch eine erfolgreiche Zertifizierung als Lebensort Vielfalt, durch regelmäßige entsprechende fachliche Schulungen ihrer Führungskräfte und durch die öffentliche Durchführung niederschwelliger, diversitätsbezogener Veranstaltungen mindestens einmal im Quartal, um somit deutlich zu machen, dass sie sichtbar in das vielfältige Gemeinwesen integriert sind.

Der gesamte Prozess hat Aktive der queeren Community und Expert*innen in einen Austausch mit wichtigen Akteur*innen gebracht, so unter anderem mit der Verwaltung vor allem aus den Bereichen Pflege und Wohnen, mit Anbieter*innen ambulanter und stationärer Pflege sowie Trägern von Wohnprojekten und Wohnungsbaugesellschaften.

Dieser Austausch wurde fortgesetzt im Rahmen einer Delegationsreise zu drei Einrichtungen der queeren Altenhilfe in Berlin am 11. und 12. Juli 2022. Mit dabei waren für den Mannheimer Seniorenrat Marianne Bade und Sieglinde Duda sowie Vertreter*innen des Mannheimer Gemeinderats, des Fachbereichs 50 Arbeit & Soziales, der AWO, des ASB, der Evangelischen Kirche, von „Pflege im Quadrat“ und der queeren Community sowie die LSBTI-Beauftragung. Der intensive Austausch hat deutlich gemacht, was noch möglich ist, aber auch, dass Mannheim bereits auf einem guten Weg ist.

Die umfassende Beschäftigung mit dem Thema „Queere Vielfalt im Alter“ ist ein wichtiger Meilenstein der Sensibilisierung. Die Stadt Mannheim hat die Bedeutung des Themas erkannt und lädt alle, vor allem auch weitere Träger, zum Mitmachen ein.

Weitere Informationen:
LSBTI-Beauftragung der Stadt Mannheim: Sören Landmann (+49 621 293 2003) & Margret Göth (+49 621 293 2004).

Gruppenbild der Delegationsreise nach Berlin im Rahmen des Projekts „Queere Vielfalt im Alter“ im Juli 2022